Fortschritte in der Trockenbeschichtung
Gamechanger für die Batteriezellfertigung
An innovativen Lösungen für die lösungsmittelfreie, trockene Elektrodenproduktion forscht das Fraunhofer IWS seit 2011. Dabei stehen nachhaltige und kosteneffiziente Material- und Prozessentwicklungen im Fokus. Besonders bei der Entwicklung von Batterien der nächsten Generation, darunter Lithium-Schwefel- und Festkörperbatterien, zählt das Institut heute zu den weltweit führenden FuE-Einrichtungen. Mit einem ganzheitlichen Ansatz, der die gesamte Wertschöpfungskette von der Materialentwicklung über die Elektrodenherstellung bis hin zur Zellfertigung umfasst, entstehen praxisnahe und industrienutzenorientierte Innovationen.



Die globale Nachfrage nach leistungsfähigen Batterien steigt rapide, insbesondere durch die Elektromobilität. Die Produktion unterliegt jedoch einem hohen Kostendruck, wobei die Elektrodenherstellung einen der größten Kostenfaktoren darstellt. Der herkömmliche nasschemische Prozess erfordert den Einsatz von Slurries mit organischen Lösungsmitteln, die in energie- und platzintensiven, bis zu 100 Meter langen Trockenöfen verarbeitet werden müssen. Für Länder mit hohen Energiepreisen wie Deutschland stellt dies einen entscheidenden Standortnachteil dar. Daher ist es notwendig, innovative Ansätze zur Elektrodenherstellung zu entwickeln, die ohne Lösungsmittel auskommen und gleichzeitig die Produktionskosten senken.
DRYtraec®: Revolutionäre Trockenbeschichtungstechnologie
Das am Fraunhofer IWS entwickelte Trockenbeschichtungsverfahren DRYtraec® stellt eine bahnbrechende Technologie dar, die den bisherigen Prozess zur Batterieelektrodenherstellung grundlegend verändert und durch höhere Effizienz sowie geringere Kosten überzeugt.
- Aktivmaterial, Leitruß und spezieller, fibrillierbarer Binder werden zu einer Trockenmischung verarbeitet
- Kalanderwalzen verdichten die Mischung mechanisch, ein Fibrillennetzwerk entsteht »Dry Transfer Electrode Coating« (DRYtraec®): direkte Übertragung der entstehenden Schicht von der Filmbildnerwalze auf die Metallfolie
- Stabilisierung durch mechanische Stützung von Walzen oder Metallfolie führt zu hohen Produktionsgeschwindigkeiten
- Tandem-Beschichtung mit mindestens vier Walzen erlaubt simultane beidseitige Elektrodenbeschichtung
Diese Methode steigert die Effizienz des Prozesses erheblich, indem sie nicht nur die energieaufwendige Trocknung eliminiert, sondern auch den Platzbedarf der Produktionsanlagen deutlich reduziert. Zudem minimiert die kontinuierliche Verarbeitung Anlagenausfälle durch geringere mechanische Belastungen. Dr. Benjamin Schumm, Abteilungsleiter Partikeltechnik, hebt die Vorteile hervor: »Frühzeitig haben wir erkannt, dass die Trockenbeschichtung nicht nur Kosten reduziert, sondern auch Elektroden mit vorteilhaften elektrochemischen Eigenschaften hervorbringt. Mit DRYtraec® haben wir eine proprietäre Technologie entwickelt, die entscheidend zur Industrialisierung der Trockenbeschichtung beiträgt.«
DRYplatform: Erweiterung der FuE-Kapazitäten
Um die Industrialisierung von DRYtraec® voranzutreiben, wurde mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) das Investitionsprojekt DRYplatform (FKZ 03XP0437) ins Leben gerufen. Diese 3,7-Millionen-Euro-Initiative erweitert die Infrastruktur für industrielle Anwendungsforschung und vervollständigt das FuE-Angebot durch:
- Anlagentechnik zur skalierten Pulvervorbehandlung: optimierte Materialmischung durch Extrusion und Intensivmischer
- Beschichtungstechnologie: drei Prototypanlagen für verschiedene Material- und Prozessanforderungen, ausgestattet mit hochpräziser Dosier-, Beschichtungs- und Schneidtechnik für eine kontinuierliche Elektrodenherstellung
- Messtechnik: umfangreiche Charakterisierungsmöglichkeiten für Pulver, Schichten und Elektroden, maßgeschneidert auf die Trockenbeschichtung zur gezielten analytischen Bewertung
- Trockenlufttechnik: eine innovative Trockenluftversorgung mit Multiraum-Trockenluft-Microenvironment für eine flexible, energie optimierte Verarbeitung feuchtigkeitssensitiver Materialien sowie eine effiziente Partikelfilterung
Diese Infrastruktur unterstützt die gesamte Wertschöpfungskette von Materialherstellern über Anlagenbauer bis hin zu Zellproduzenten. Die Forschungsergebnisse werden gezielt in industrielle Anwendungen transferiert. Dr. Holger Althues, Abteilungsleiter Batteriewerkstoffe, betont: »DRYtraec® ist als skalierbare und anpassungsfähige Elektrodenfertigung eine absolute Schlüsseltechnologie für die Batterie der Zukunft. Das Verfahren ist nicht auf eine Zellchemie beschränkt – es eignet sich für Lithium-Ionen-, Lithium-Schwefel- und Festkörperbatterien gleichermaßen.« Ein besonderer Fokus liegt darauf, Laborergebnisse frühzeitig in anwendungsrelevante Prototypzellen zu überführen, um die Praxisrelevanz der entwickelten Lösungen zu bewerten. Zahlreiche Veröffentlichungen in renommierten Fachzeitschriften sowie ein umfangreiches Patentportfolio unterstreichen den hohen Innovationsgrad der Arbeiten. Der Technologietransfer in die Industrie erfolgt durch:
- FuE-Projekte mit Partnern entlang der Wertschöpfungskette (Material-, Komponenten-, Prozess- und Anlagenentwicklung sowie Prototypzellbau)
- Lizenzierung von Patenten/IP
- hochqualifizierte Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler
- Wissenstransfer durch Publikationen und Veranstaltungen wie das Dry Coating Forum und den Li-S-Workshop
Ein besonderes Alleinstellungsmerkmal ist das Dry Coating Forum, die weltweit führende Fachkonferenz zur Trockenbeschichtung. Diese Plattform vernetzt Industrie und Wissenschaft, um neueste Erkenntnisse auszutauschen und industrielle Anwendungen zu beschleunigen.
Mit DRYtraec® vom Material zur Zelle
Die Kombination aus DRYtraec® und DRYplatform bildet eine ideale Grundlage für die Weiterentwicklung effizienter und nachhaltiger Batteriefertigungstechnologien. Insbesondere für Next-Generation-Batterien wie Festkörper- und Lithium-Schwefel-Zellen stellt die lösemittelfreie Verarbeitung einen entscheidenden Vorteil dar. Das Forschungsteam um Dr. Benjamin Schumm und Dr. Holger Althues setzt vermehrt darauf, seine innovative Forschung direkt in industrielle Anwendungen zu überführen – eine Schlüsselstrategie für die wettbewerbsfähige Batterieproduktion in Deutschland und Europa.
Video: DRYtraec – Gamechanger in der Batterieelektrodenfertigung
© Fraunhofer/HADIFILM